In der Kita „Kleine Hände“ in Kiel dürfen die Kinder auf Bäume klettern, sich an Ästen hochziehen und auf Mauern balancieren. Dabei kann es passieren, dass sie sich mal den Arm aufschürfen oder das Knie aufschlagen. Doch der Erzieher Kim Betinski ist überzeugt: „Je mehr Erfahrungen die Kinder machen, desto sicherer werden sie.“ Und desto weniger schlimme Unfälle passieren.
Das ist auch die Haltung von Herbert Hartmann von der Unfallkasse Hessen. Er betont, dass Kinder in ihrer Entwicklung lernen müssten, mit Gefahren richtig umzugehen. „Dazu gehört, dass auch mal etwas schiefgeht.“ In erster Linie handelt es sich um Stürze, meist mit harmlosen Folgen.
KURZ GESAGT!
- Kleine Unfälle sind wichtig für die Entwicklung
- Kinder müssen lernen, Gefahren selbst einzuschätzen
- Klare Regeln und Einbezug des Trägers geben Sicherheit
- Den Eltern im Gespräch Ängste nehmen
Keine Angst vor Verletzungen
In Ausnahmen könne es vorkommen, dass sich jemand den Arm breche, sagt Herbert Hartmann. Aber in der Regel seien schwere Unfälle in Kitas selten. Meist ereigneten sie sich auf dem Weg zur Einrichtung, im Auto oder zu Fuß. Für die Aufsichtsperson der Unfallkasse steht fest: „Die Kita ist ein sicherer Ort.“
Deshalb müssen Kinder ihre Grenzen ausloten, immer wieder. „Sonst fehlt ihnen ein Stück Lebensfähigkeit“, so Herbert Hartmann. Kitas sollten Kindern ermöglichen, altersgemäß mit sogenannten Basisgefahren umzugehen. Zum Beispiel mit Höhe. Wenn ein Kind irgendwo runterspringt, spürt es ab einer gewissen Höhe: Die Füße schlagen hart auf den Boden, die Sohlen brennen. Eine wichtige Erfahrung. „Das Kind hat gemerkt: Ab dieser Höhe tut es weh. Danach kommt irgendetwas Schlimmes“, sagt Herbert Hartmann. Nur so entwickelten Kinder einen sicheren Umgang mit Höhe oder Glätte. Je älter sie würden, desto wichtiger werde ihr eigenes Verhalten für ihre Sicherheit.
Doch viele Eltern hätten panische Angst vor Verletzungen. Der Fachmann berichtet von einer Mutter, die nicht wollte, dass ihr Kind in der Kita eine Treppe benutzt. Zu groß war ihre Sorge vor einem Sturz. „Da müssen Kitas gegenhalten“, meint Herbert Hartmann, „aber reflektiert.“ Einrichtungen sollten sich bewusst mit dem Thema auseinandersetzen. So könnten sie Eltern pädagogisch erklären, wie sich Kinder entwickelten und warum kleine Gefahren bewusst in Kauf genommen werden müssten. „Das nimmt Ängste und kann die Rolle der Erzieherinnen und Erzieher stärken.“ Wichtig sei zudem, den Träger einzubeziehen und das Thema im Konzept zu verankern. Das gebe auch dem Team Sicherheit.
Stürzen trainieren
So hält es die Kita „Kleine Hände“. Die Fachkräfte legen großen Wert darauf, die Kinder gut auf die Gefahren des Lebens vorzubereiten. Gleichzeitig bemühen sie sich um so viel Sicherheit wie möglich. Beispiel: Wenn sie Lust haben, dürfen Kindergartenkinder die Rutsche hochkraxeln und runterspringen. Doch wenn es eiskalt ist, der Sand gefriert und hart wird, ist das Spielgerüst tabu. Der Fallschutz sei nicht mehr gegeben, erklärt Kim Betinski. Außerdem darf niemand herunterhüpfen, wenn Krippenkinder in der Nähe sind. Zu groß ist die Gefahr, dass sie es nachmachen. Die Kinder können das Risiko noch nicht einschätzen.
In der Kita gilt die Regel, dass die Kinder keine Hilfestellung bekommen. „Wir heben die Kinder niemals irgendwo hoch und setzen sie so einer Gefahr aus“, sagt Kim Betinski. Genauso müssen sie auch alleine wieder runterkommen. Die Kinder sollen lernen, sich selbst einzuschätzen. „Unser Ziel ist es, sie fürs Leben sicher zu machen.“ Der Erzieher trainiert mit allen Mädchen und Jungen, wie sie richtig hinfallen. Erst auf dem Fußboden, später vom Hocker. Mit Erfolg. In der Kita selbst hat sich noch nie jemand etwas gebrochen. Kinder mit Gips sind indes hin und wieder zu sehen. „Doch das ist zu Hause passiert.“
UNFÄLLE MELDEN
Informationen zur Unfallmeldung bei Kindern und pädagogischen Fachkräften finden Sie hier:
www.dguv.de